FrühlingsErwachen 2.0
“Überall geht es doch nur um das Eine. Klick zweimal im Internet: Da kannst du doch froh sein, wenn dir Barbie nur ihre Titten ins Gesicht hält und Ken nicht schon in ihr steckt. Kannst Du mir mal sagen, wo in unserer verdammten Schule wir auf so was vorbereitet werden?”
Wendla ist 15 Jahre. Und 10 Monate. Und damit steht sie, genau wie ihre Mitschüler, einem ganzen Kollektiv an Problemen gegenüber: der Pubertät. Zwischen Puderdöschen und CounterStrike, Trieben und Romantik, Sexualität und Schönheitswahn, Online-Dating und Schulleben gilt es, nicht den Kopf zu verlieren.
1899 verfasste F. Wedekind das Stück „FrühlingsErwachen“, in dem die junge Wendla und ihre Schulkameraden vor die Probleme der Sexualität gestellt werden; quasi unvorbereitet stolpert sie in eine Welt, in der sie kaum etwas versteht und in der ihr auch niemand weiterzuhelfen weiß, da jeder mit seinen eigenen Problemen zu kämpfen hat… sei es nun der prügelnde Vater, der Leistungsdruck, der Selbstfindungsprozess oder andere Angelegenheiten.
“Die Sexualität ist so natürlich wie Essen und Trinken. Sie ist ein Grundbedürfnis des Menschen… Grundbedürfnis. Wenn ich Hunger hab, ess ich. Wenn ich Durst habe, trinke ich. Mein Problem ist, dass ich an nichts anderes denken kann. Tolles Grundbedürfnis. Steht leider nirgends, wie man das stillt.”
112 Jahre später ist das Stück etwas veraltet, und deshalb hat die theaterwerkstatt hier und da ein paar „Renovierungsarbeiten“ vorgenommen; projiziert auf die heutige Welt stehen die Protagonisten immer noch vor ähnlichen Problemen, müssen allerdings auch noch den Herausforderungen der modernen, technologisierten Welt standhalten: Liebe und Lust in einer Zeit, in der Sexualität ein Tabuthema ist, während sie durch Medien aller Art flimmert.
MORITZ: Ich bin doch keine Marionette. Ich will mich nicht damit beschäftigen müssen, ob mein Schwanz zu lang, zu kurz oder gerade richtig ist. Ich will nicht wissen, ob ich mir die Haare vom Kopf, vom Sack oder von der Brust abrasieren soll. Ich will ich sein. Ich möchte irgendwann mal ein Mädchen kennen lernen, die mich einfach so liebt, wie ich bin. Nicht mehr und nicht weniger. Das kann doch nicht so schwer sein. Und wenn es dann so ist, dann kommt doch der Sex von ganz alleine.
MELCHIOR: Mann, Moritz. Wir wollen doch alle mal mit einem Mädchen schlafen…